Montag, 3. Oktober 2011

Solidarität mit den Protestierenden wächst

Aus der Zeit: http://www.zeit.de/wirtschaft/2011-10/wall-street-proteste


Die anhaltenden Proteste gegen die Macht der Wall Street gewinnen an Aufmerksamkeit. Prominente solidarisieren sich, die US-Fernsehsender schicken Übertragungswagen.

Occupy Wall Street, die Protestaktion von Wall Street-Kritikern an der Liberty Street in New York, findet langsam größere Resonanz. Mittlerweile haben auch die amerikanischen Medien die Proteste entdeckt. Und immer mehr Prominente solidarisieren sich mit den Demonstranten.

Die Proteste auf der Brooklyn Bridge am Samstag

Die Edelfeder der New York Times, Nicholas Kristof, der sonst über die Demonstrationen in Ägypten, Syrien und Libyen berichtet, fühlt sich an den Tahrir-Platz in Kairo erinnert: Es sei die gleiche Kohorte junger Menschen, die sich entfremdet fühlten und die Twitter und soziale Netzwerke nutzten, um ihren Protest zu organisieren, schreibt er in seiner Kolumne. Auch sie verurteilten das politische und ökonomische System als korrupt, taub und unverantwortlich.

Am Samstag hatten die Protestierenden die Brooklyn Bridge stundenlang lahmgelegt. Die Polizei nahm mehrere Hundert von ihnen fest. Anlass der Aktion war ein Demonstrationszug gegen Zwangsversteigerungen, die hohe Arbeitslosigkeit sowie die Milliarden-Geldspritzen für Banken während der Finanzkrise. Die locker organisierte Bewegung "Besetzt die Wall Street" protestiert seit zwei Wochen in New York. Ihr Lager haben die Protestler in einem Park aufgeschlagen, das sich nahe des bei den Anschlägen des 11. September 2001 zusammengestürzten World Trade Center befindet.



Bislang hatten die amerikanischen Medien die Proteste weit gehend ignoriert. Nun ist aber auch das Fernsehen auf die Aktivisten aufmerksam geworden. Der Lokalsender NY1 hat einen Übertragungswagen postiert, die NBC ist vor Ort und TV-Linke wie Jon Stewart, Keith Olbermann, Rachel Maddow und Amy Goodman berichten. Geholfen hat auch, dass Prominente zur Liberty Street pilgern, darunter Susan Sarandon und Roseanne Barr, der Filmemacher Michael Moore und der Hip-Hop-Mogul Russell Simmons.

Die Protestierenden geben mittlerweile ihre eigene Zeitung heraus, das Occupied Wall Street Journal, das am Samstag in einer Erstauflage von 50.000 erschienen ist. Finanziert wird es von zwei Journalisten des Indypendent; Leitartikler ist Chris Hedges von Nation Institute. Inzwischen gibt es auch Protestaktionen in anderen Städten wie Boston, Los Angeles und Providence.

Am Sonntag haben Joseph Stiglitz und Jeff Madrick auf dem Platz zwischen Wall Street und World Trade Center gesprochen. Wirtschaftsnobelpreisträger Stiglitz lehrt an der New Yorker Columbia University; Madrick arbeitet für das Roosevelt Institut, ein gemeinnütziger Verein, der progressive Ideen fördert. Es gebe einen Krieg gegen die Mittelklasse in Amerika, sagte Stiglitz. Die Banken hätten die politischen Prozesse gekarpert. Außerdem bräuchten die USA ein faires Steuersystem – will heißen: höhere Steuern für die Wohlhabenden. Er forderte die US-Bürger auf, mehr Druck auf die Abgeordneten auszuüben. "Wir müssen unsere Demokratie demokratisieren”, sagte Stiglitz.

Stiglitz sprach sich auch für eine Steuer auf Finanztransaktionen aus. Und auch die Federal Reserve müsse umstrukturiert werden, das seien Banker, die Banker kontrollieren. "Bis heute wissen wir nicht, wohin die Milliarden geflossen sind, um AIG zu retten", kritisierte Stiglitz.
Den Rednern an der Liberty Street ist es verboten, ein Megafon zu benutzen. Deshalb wird jeder Satz von den Zuhörern wiederholt, um ihn so für alle hörbar zu machen. Das verleiht den vielen Vorträgen eine gottesdienstähnliche Atmosphäre.

Und die Protestierenden sind gut organisiert: Wenn es dämmert, werden Donuts, Erdnussbutterbrote, Äpfel und Pizza verteilt. Der nahe Pizzaladen hat inzwischen den OccuPie special kreiert. Die Protestierenden sind bunt gemischt und kommen aus ganz Amerika. Joe, ein Arbeiter vom World Trade Center erklärt seine Solidarität. Zwei Soldaten sind hier, ein paar Ron-Paul-Anhänger, sogar die ersten Gewerkschaftler lassen sich blicken. Nancy Pelosi, die Fraktionschefin der Demokraten im Repräsentantenhaus, die am Sonntag in New York war, stattete zwar keinen Besuch ab, meinte aber immerhin, die Anliegen seien berechtigt.

Nachdem die New York Times den Demonstranten vorgeworfen hatte, die hätten keine echten Forderungen, werden nun überall Schilder mit Parolen hochgehalten, von "Enteignet die Banken” bis "Schafft die Fed ab”. Und auch die Forderung, den Indianerschlächter Andrew Jackson von dem 20-Dollar-Schein zu entfernen, wird aufrechterhalten.

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